DGB-Chefin warnt: Energieintensive Industrie verlässt Deutschland
Die Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Yasmin Fahimi, sprach sich für einen niedrigen Industriestrompreis aus. In einem Interview mit dem „Handelsblatt“ teilte sie mit, was nötig sei, um den Industriestandort Deutschland zu erhalten.
Deutschland befindet sich nun offiziell in einer Rezession. Für viele Unternehmen ist der Wirtschaftsstandort Deutschland in den letzten Monaten stetig unattraktiver geworden. Einige haben bereits ihre Forschung oder Teile der Produktion ins Ausland verlegt, andere sind ganz abgewandert. Die hohen Energiepreise stellen eine große Belastung für viele Unternehmen dar. Das spüren besonders energieintensive Industriebetriebe.
Sechs oder vier Cent?
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) zeigte sich erst kürzlich zuversichtlich, dass seine Pläne für einen subventionierten Industriestrompreis trotz der strikten Ablehnung durch die FDP noch umgesetzt werden können. „Ich gehe davon aus“, sagte Habeck beim Wirtschaftstag des CDU-Wirtschaftsrats am 22. Mai in Berlin. Es sei richtig, dass die Abstimmung innerhalb der Ampelkoalition oft schleppend laufe, aber bislang sei noch für jedes Problem eine Antwort gefunden worden.
Der Wirtschaftsminister hatte Anfang Mai ein Arbeitspapier vorgelegt, wonach der Strompreis für energieintensive Industriezweige, die im internationalen Wettbewerb stehen, übergangsweise mit staatlichen Mitteln bei sechs Cent pro Kilowattstunde gedeckelt werden soll. Die Bundesregierung geht davon aus, dass mit dem fortschreitenden Ausbau von Wind- und Solaranlagen bald schon genügend Energie zur Verfügung stehen wird. So soll der Preis in der Zukunft ohne Subventionen niedrig sein.
Wie ist Ihre Bereitschaft zu Klima-Einschränkungen? Nehmen Sie an unserer Umfrage teil:
Viele Fachleute widersprechen dem jedoch und sehen gerade in der derzeitigen Energiepolitik, einschließlich des Abschaltens der letzten grundlastfähigen Kernkraftwerke, den Grund für die hohen Energiepreise.
Die von Habeck ins Spiel gebrachten sechs Cent seien im globalen und europäischen Wettbewerb immer noch zu viel, sagte Fahimi dem „Handelsblatt“. Wenn man die energieintensiven Industrien in Deutschland halten und transformieren wolle, müsse man jetzt die richtigen Anreize setzen, erklärte die DGB-Chefin. „Mit wettbewerbsfähigen Energiepreisen können qualitativ hochwertige Standorte hier mittel- und langfristig auch gegenüber China mithalten, bei mehr Sicherheit für ihre Investitionen.“
Fahimi orientiert sich hierbei auch an den vier Cent pro Kilowattstunde, die Bundeskanzler Olaf Scholz bereits im Jahr 2021 als Zielpreis vorgeschlagen hatte.
Doppelt so hohe Subvention
Wäre der Industriestrompreis tatsächlich niedriger, reichten die von der Bundesregierung kalkulierten 25 bis 30 Milliarden Euro bis 2030 allerdings nicht aus, betonte Fahimi. Dann müsste der Bund eher rund 50 Milliarden Euro Steuergelder investieren.
Das Geld für den Industriestrompreis will Fahimi aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds nehmen. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) lehnt diesen Vorschlag bisher ab. Der Wirtschaftsstabilisierungsfonds sei Teil des „Doppel-Wumms“, den der Kanzler versprochen habe, sagte die frühere SPD-Generalsekretärin und Bundestagsabgeordnete. „Wenn es einen anderen Fonds oder einen anderen Haushaltsvorschlag gibt, sind wir dafür offen“, teilte Fahimi mit. Die Förderung dürfe nur nicht zulasten anderer wichtiger Politikfelder gehen.
Andere EU-Länder haben bereits einen Preisdeckel festgelegt. In Frankreich liege dieser laut Fahimi bei einem Preis von 4,2 Cent für die Industrie. Auch Spanien und Portugal hätten einen Preisdeckel, den sie sehr einfach festlegen können. Die DGB-Chefin fordert aber „einen echten gemeinsamen Energiemarkt in Europa.“
Im Sommer vergangenen Jahres hatte sich Fahimi laut der „Rheinischen Post“ noch gegen längere Laufzeiten der drei verbliebenen deutschen Kernkraftwerke ausgesprochen. „Uns drohen keine Probleme bei der Stromerzeugung, sondern im Wärmemarkt“, sagte sie.
Wirtschaftsverbände: Habecks Konzept zu teuer
Auch andere Wirtschaftsverbände und etwa der Steuerzahlerbund kritisieren das Konzept von Habeck jedoch insbesondere als zu teuer. Dem schloss sich auch die FDP und das von Lindner geführte Finanzministerium an.
Bei der Veranstaltung des CDU-Wirtschaftsrats betonte Habeck die Bedeutung der von Abwanderung bedrohten Industriezweige für Deutschland. Sein Industriestrompreiskonzept sei „zielgenau für die Unternehmen ausgerichtet, die hoch-energieintensiv sind und im internationalen Wettbewerb stehen (…). Die sollten wir nicht gehen lassen.“
Bei dem konkreten Gesetz zeigte Habeck sich bereit für Kompromisse. „Ein Papier ist ein Arbeitspapier“, sagte er. „Mir fällt überhaupt kein Zacken aus der Krone, wenn irgendwelche Prozentzahlen sich verändern, wenn wer irgendeine bessere Idee hat.“ Die Debatte sei eröffnet, so stelle er sich das vor „und ich gehe davon aus, dass wir in überschaubarer Zeit, das heißt also Monaten, eine gemeinsame Lösung finden“.
Wirtschaftsweise Teilabwanderung nicht abgeneigt
Ebenso äußerte sich die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer zu den Plänen des Wirtschaftsministeriums zur Einführung eines Industriestrompreises mit Skepsis. Sie halte dies für „heikel“, sagte sie den Funke-Zeitungen vom Dienstag, dem 30. Mai. „Wenn wir jetzt die Strompreise nicht massiv subventionieren, wird es einen Strukturwandel geben“, gestand sie ein. Jedoch sei dies „an sich nicht schlecht“. Deshalb werde „nicht die ganze Industrie abwandern“.
Es sei außerdem „nicht sehr zukunftsgerichtet“, immer nur die aktuelle Wirtschaftsstruktur zu erhalten, sagte Schnitzer weiter. „Wir sollten uns auf die Herstellung hochwertiger Produkte konzentrieren – und nicht um jeden Preis die Grundstoffindustrie erhalten.“
Zudem seien die Energiepreise nur einer von vielen Standortfaktoren und die Firmen seien bislang mit den hohen Kosten zurechtgekommen. Und wenn die besonders energieintensiven Unternehmen ihre Produktion ins Ausland verlagerten, „würde das unsere Wertschöpfung nicht entscheidend mindern“, sagte Schnitzer weiter. „Das können wir verkraften.“
(Mit Material von AFP)
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion